Texas has the Bomb
Ulrich Berger und Christoph
Stein 14.03.2003
Überlegungen zu den Motiven des Irak-Kriegs und ein
Interview mit J. R. Ewing II., CEO von Ewing Oil Inc., Dallas,
Texas
Der Irak-Krieg birgt Rätsel. Warum ist die
Regierung Bush II so fest entschlossen ihn zu führen, gegen einen
weltweiten Widerstand, Protesten im eigenen Land und ungeachtet der
wahrscheinlichen Folgen? Uns ist es gelungen J.R. Ewing II,
CEO von Ewing Oil Inc., Dallas, Texas in dieser Sache zu
befragen.
Kriegsfolgen
Abschätzbar sind die ökonomischen und politischen Folgen dieses
Krieges. Der Bremer Ökonomen Rudolf
Hickel hat ausgehend von den Berechnungen des Yale-Ökonomen
William D. Nordhaus die ökonomischen Kollateralschäden
durchgerechnet. Sein Resultat ist niederschmetternd. Das Worst Case
Scenario fasst er in der folgenden Tabelle zusammen:
- Schwerpunkte der Kosten
- Langer Krieg (Worst Case)
- Militärische Ausgaben (direkt) 140 Mrd. $
- Folgekosten (indirekt) für die Dekade von 2003 bis 2012
- Besatzung und Friedenserhaltung 500 Mrd. $
- Wiederaufbau und Infrastruktur 105 Mrd. $
- Humanitäre Hilfeleistungen 10 Mrd. $
- Auswirkungen des Ölpreiseffekts 778 Mrd. $
- Makroökonomische Auswirkungen (Keynes Effekt) 391 Mrd. $
- Direkte und indirekte Kosten 1.924 Mrd. $
Angenommen wird ein Anstieg des Ölpreises auf 75 $ für längere
Zeit sowie internationaler Gegenterror. Eine tiefe Vertrauenskrise
breitet sich aus. Der Konsum bricht zugunsten des Angstsparens
zusammen. Sinkende Gewinnerwartungen führen zum Rückgang der
Sachinvestitionen. Die Aktienkurse stürzen ab. Die Weltwirtschaft
stürzt endgültig in die Rezession.
Der forcierteVerfall des US $ gegenüber dem Euro führt zu einem
Rückzug des ausländischen Kapitals aus den USA. Die Finanzierung des
Doppeldefizits- öffentlicher Haushalt und Leistungsbilanzdefizit -
durch ausländisches Kapital bricht in sich zusammen. Die Vorteile
aus der US $-Abwertung für die Exportwirtschaft vermögen diese
Nachteile nicht aufzuwiegen. Die Geldpolitik schaltet wegen
wachsender Inflationsrisiken - vor allem durch die hohen Ölpreise -
auf restriktiven Kurs um. Die Finanzpolitik verliert mit den
wachsenden Staatsschulden an Manövrierfähigkeit. Insgesamt stürzt
die Gesamtwirtschaft in eine tiefe Rezession.
Noch nicht berücksichtigt wurden in diesem Szenario zwei weitere
krisenverschärfende Belastungen. Einerseits würde ein Krieg im Irak
die gesamte Region massiv destabilisieren. Eine sich schnell
ausbreitende islamische Bewegung könnte die Öloligarchien in den
Golfstaaten zum Einsturz bringen. Zum anderen wäre mit einem neuen
Schub beim internationalen Terrorismus zu rechnen.
Fazit: Ein Krieg gegen den Irak
wäre heller Wahnsinn
Man darf davon ausgehen, dass auch der Regierung Bush II diese
Kriegsfolgen bekannt sind, schließlich besteht sie zu wesentlichen
Teilen aus Managern der Ölindustrie. Damit stellt sich die
verstörende Frage: Was verspricht sich die Regierung Bush II von
einer Weltwirtschaftskrise, bzw. warum hat sie keine Angst davor ?
Die Erklärungen, die auf dem Markt gehandelt werden, leiden an
einem entscheidenden Mangel: Sie sind unplausibel.
Blut für Öl
Blut
für Öl. Die Hypothese: Marx lebt!
Bush, so wird unterstellt, will das Öl des Irak für die
amerikanischen Ölkonzerne erobern, und diese wollen dann den
Weltölmarkt beherrschen und den Ölpreis auf 10$ pro Barrel drücken.
Diese Hypothese hat einen entscheidenden Mangel: Die Ölförderung
ist teuer, aufwendig und anfällig gegen Sabotage. Die Irakische
Ölförderung liegt nach 10 Jahren Embargo am Boden, man müsste erst
einmal eine neue Förderinfrastruktur aufbauen, das dauert Jahre und
kostet Milliarden, mehr Kapital als die US-Konzerne allein
aufbringen könnten. Sie müssten also internationale Konsortien
bilden und dann müsste man weitere Jahre ungestört und in Frieden
das Öl vermarkten.
Nur, wo soll der Frieden herkommen nach einem Überfall auf den
Irak? Wahrscheinlicher ist eher, das der Irak in Bürgerkrieg und
Revolution untergeht, der Partisanenkrieg, der bisher auf Palästina
begrenz ist, ubiquitär wird und auch noch andere Ölförderländer im
Chaos versinken. Und welcher Konzern investiert schon dreistellige
Milliardensummen in die Unsicherheit? Statt Gelegenheit zu
profitabler Investition zu schaffen, gefährdet ein Irakkrieg
vorhandene Investitionen. Die internationale Gilde der Ölmanager ist
daher auch strikt gegen diesen Krieg. Man darf wohl davon ausgehen,
dass die Ölmanager in der Bush Administration dies auch wissen.
Warum wollen sie trotzdem diesen Krieg?
Wenn es um die Kontrolle des irakischen Öls und einen niedrigen
Ölpreis ginge, dann wäre eine gänzlich andere Politik
erfolgversprechender: Die sofortige Aufhebung der Sanktionen gegen
den Irak und das Anwerfen der großen Korruptionsmaschine. Die
Hypothese "Blut für Öl" funktioniert schon aus technischen Gründen
nicht zur Erklärung der Politik von Bush II. Was J.R. Ewing von ihr
hält, haben wir ihn gefragt.
Das neue Rom
Das
neue Rom. Die Hypothese: Sir Halford Mackinder und Carl Schmitt
leben!
Es geht nicht ums Öl, es geht um Geostrategie, so ist die
Annahme. Bush II nutze ein kurzes Zeitfenster, (die Europäer sind
zerstritten und daher schwach, ihre handlungsfähige Einheit ist erst
auf dem Weg, Russland ist ruiniert und China ist noch nicht so weit)
um geostrategische Pflöcke einzuschlagen. Das Ziel sei es mit Hilfe
von Militärpräsenz und Marionettenregimen eine Neuordnung der ganzen
Region von Ägypten bis zur Südgrenze Russlands und zur Westgrenze
Chinas nach amerikanischen Bild herbeizuführen, treue Vasallen zu
schaffen, die den american way of live übernehmen und so die
amerikanische Vorherrschaft für das 21. Jahrhundert auch an dieser
Flanke zu sichern.
Die Methode ist die alterprobte, die schon in verschiedensten
Staaten, von Deutschland bis Chile äußerst erfolgreich war: Man
fördere blutrünstige Diktatoren, stürze sie dann und man wird danach
im eroberten Lande als selbstloser Kämpfer für Demokratie und
Freiheit begeistert gefeiert. Das ganze nennt sich
nation-building und soll auch bei einer Demokratisierung des
Irak funktionieren. Dies soll dann auf andere Feudalstaaten
ausstrahlen, namentlich auf Saudi-Arabien, Ägypten und den Iran.
Am Ende steht die Vision eines neuen Rom, ein weltweites
amerikanisches Imperium mit loyalen Untertanen.
Der Mangel dieser Hypothese ist, dass die Methoden von Bush II
für dieses Ziel höchst ungeeignet erscheinen. Das Romische Reich
funktionierte nur, weil es auf zwei Säulen ruhte: auf seiner
Militärmaschinerie und auf dem römischen Recht. Ohne Bürgerrechte
für alle Völker des Imperiums hätte das Imperium wohl kaum
Stabilität gewonnen, da es keine Loyalität gegeben hätte. Was damals
das römische Recht war, ist heute das internationale Völkerrecht.
Und mit diesem kann Bush II bekanntlich wenig anfangen. Für eine
Politik des neuen Roms war die Politik Clintons daher allemal
erfolgreicher. In seiner Regierungszeit gab es eine globale
Loyalität mit den USA, Bush II zerdeppert sie gerade. Auch diesen
Komplex haben wir in unserem Interview mit J.R.Ewing angesprochen.
Das neue Jerusalem
Das
neue Jerusalem. Die Hypothese: Wir leben wieder im 16
Jahrhundert.
Bush II hatte, so berichtet die Legende, ein religiöses
Erweckungserlebnis und liest seitdem täglich in der Bibel. Mit ihm
sei der christliche religiöse Fundamentalismus an die Macht
gekommen. Seit 9/11 gibt es einen weltweiten Religionskrieg zwischen
dem islamischen Fundamentalismus und dem amerikanischen. Und
Amerika, "God's own country", hat eine Mission, einen göttlichen,
eschatologischen Auftrag die Welt zu erlösen. In diesem
endzeitlichen Kampf zwischen Gut und Böse kann es keine Kompromisse
geben. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns und wer gegen uns ist,
ist ein Vertreter des Antichrist. Und deshalb muß der Krieg gegen
den Irak geführt werden.
Auch diese Hypothese hat ihre Mängel. Es ist recht
unwahrscheinlich, dass die amerikanische Regierungsmannschaft, die
zu einem großen Teil aus Industriemanagern und erfahrenen höheren
Beamten besteht, ein kollektives religiöses Erweckungserlebnis
hatte, das sie blind macht für die Folgen ihres Tuns.
Um Klarheit zu gewinnen haben wir J.R. Ewing II, CEO von Ewing
Oil Inc. Befragt.
Was gut ist für Texas, ist gut für
Amerika
Mr.
Ewing, wir freuen uns, dass Sie Zeit für unsere Fragen finden
konnten.
|
J.R.Ewing: Sie haben 10
Minuten. |
Mr.
Ewing, was denken Sie über den Krieg gegen den Irak?
|
J.R.Ewing: Ich denke,
unsere Jungs in Washington machen eine sehr gute
Arbeit. |
Der
Ökonom der Yale-Universität, William D. Nordhaus, hat enorme
Folgekosten eines Irak Krieges errechnet. Er schätzt sie in einem
Worst Case Scenario auf fast 2000 Mrd. $.
|
J.R.Ewing: Wenn er
Professor an der Yale Universität ist, wird er wohl rechnen
können. |
Nordhaus schätzt das
der Ölpreis für längere Zeit über 75 $ pro Barrel steigen wird.
|
J.R.Ewing: Davon muss
man ausgehen. |
Analysten hoffen nach
einem schnellen Sieg auf einem Ölpreis von 10$ pro Barrel und auf
das Ende des OPEC Kartells.
|
J.R.Ewing: Um Gottes
willen! Schon bei einem Preis unter 30$ wird es für einige von
uns eng, erst ab 40$ brummt das Geschäft, aber wir hoffen auf
weit mehr. Die OPEC, die garantiert doch keinen vernünftigen
Ölpreis mehr. Überlegen Sie doch mal, warum wir soviel Dollars
hingelegt haben, um unsere Jungs an die Regierung zu
bringen. |
Die
USA sind der zweitgrößte Ölproduzent der Welt. Aber die Ressourcen
gehen zur Neige.
|
J.R.Ewing: Jetzt haben
Sie das Problem verstanden. Deshalb ist ein anständiger Preis
das alles Entscheidende. |
Politische Beobachter
rechnen mit einem Umsturz der Öloligarchien in den Golfstaaten, z.B.
in Saudi Arabien.
|
J.R.Ewing: So ein
ähnliches Projekt hatte ich auch schon einmal, das war, glaube
ich, in der Folge 220 und später. Ich wollte damals die
saudische Ölproduktion sabotieren, aber natürlich mit viel
bescheidenderer Mitteln. Das ging gründlich schief und ich
bekam gewaltigen Ärger mit dem Justizministerium. (flucht bei
dem Gedanken, beruhigt sich aber wieder) Aber heute haben wir
ja zum Glück unsere Jungs in der
Regierung. |
Der
schon erwähnte Ökonom der Yale-Universität, William D. Nordhaus
rechnet mit einem Totalabsturz der Aktienkurse.
|
J.R.Ewing: Ja, aber doch
nicht beim Kurs unserer Ölaktien. |
Es
könnten eine Reihe amerikanischer Konzerne Pleite gehen.
|
J.R.Ewing: Sie meinen,
wie Enron? Die meisten sind doch eh völlig marode und können
ihre Pensionen bald nicht mehr bezahlen. Da muss sowieso
aufgeräumt werden. Und wir brauchen ja auch
Anlagemöglichkeiten für unsere bald wieder sprudelnden
Ölmilliarden. |
Ökonomen rechnen mit
einer Weltwirtschaftskrise.
|
J.R.Ewing: Europa und
China können sowieso einen Dämpfer vertragen, die sind in
letzter Zeit zu aufmüpfig geworden. Und die USA brauchen immer
eine neue Herausforderung. |
Viele
Beobachter rechnen mit neuen terroristischen Anschlägen, so wie bei
den WTC Anschlägen in New York.
|
J.R.Ewing: Wir sind hier
in Dallas, Texas. New York ist über 1,500 Meilen weit
entfernt. |
Präsident Bush gilt
als sehr religiöser Mann. Welchen Anteil spielt ihrer Ansicht nach
sein christlicher Glaube bei seiner Politik?
|
J.R.Ewing: Die meisten
Texaner gehen jeden Sonntag in die Kirche. Wir leben hier nach
dem Grundsatz: Gott hilft dem
Erfolgreichen. |
Wenn
alles so kommt, wie skeptische Beobachter und Ökonomen erwarten,
also Explosion des Ölpreises, Absturz der Aktienkurse, weltweite
Wirtschaftskrise und neue Terroranschläge könnte es schwierig werden
mit der Wiederwahl von Bush.
|
J.R.Ewing: Wieso? Was
gut ist für die texanische Ölindustrie, ist auch gut für
Texas, und was gut ist für Texas, ist gut für
Amerika. |
Leidet unter der
Politik von Bush nicht das Ansehen der USA?
|
J.R.Ewing: Wieso? Was
gut für Amerika ist, ist auch gut für die Welt. (guckt auf die
Uhr) Leider habe jetzt keine Zeit mehr für Sie, Termine, Sie
verstehen. |
Herr
Ewing, wir danken für das Gespräch.